Felix-Jud-Ring

Felix Jud (1899- 1985)

bekannter Hamburger Buchhändler;

Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus

 

Felix Jud kam am 7. März 1899 als Sohn eines wohlhabenden Anteilseigners einer Silbermine im niederschlesischen Wilhelmsthal zur Welt. Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Trennung der Eltern sah er sich mit 14 Jahren gezwungen, im Thüringischen, wohin die Mutter mit ihren vier Kindern gezogen war, eine Lehre als Eisenwarenhändler zu beginnen, um die Familie zu unterstützen.

 

Die Liebe zu den Büchern und zur Literatur, die er in seinem Elternhaus vor allem durch seine geliebte Mutter empfangen hatte, trieb Felix Jud jedoch bald dazu, sein Schicksal beherzt in beide Hände zu nehmen und sich bei zahlreichen Buchhandlungen der nahen Universitätsstadt Jena um eine Lehrstelle als Buchhändler zu bemühen. Nach vier Absagen kam der Erfolg, der sein weiteres Leben bestimmen sollte: Eine der ersten und ältesten Buchhandlungen Deutschlands, die berühmte Frommann'sche Hofbuchhandlung nahm ihn . Er hatte dem Geschäftsführer auf die Frage, warum er denn vom Eisenwaren-
auf den Buchhandel umsatteln wolle, in besonderer Schlagfertigkeit geantwortet: Im Eisenwarenhandel verkaufe man, was "dran" sei, im Buchhandel dagegen, was "drin" sei!

 

Als Felix Jud das zweite Lehrjahr absolvierte, brach der erste Weltkrieg aus und das gesamte männliche Personal zog "ins Feld" - mit Ausnahme von drei Damen und Felix Jud, dem von seinem Lehrherrn nun die Geschäftsführung übertragen wurde. Geschäftsführer mit fünfzehn!

 

Felix Jud nutzte mutig seine Chance und bewies schon hier, daß er ein Vollblut-Buchhändler war, der den Umsatz binnen weniger Jahre vervielfachte- bis er gebeten wurde, sich wegen ständiger morgendlicher Verspätung aufgrund seines äußerst gesunden Schlafes (!) nach einer anderen Stellung umzusehen. Dieses tat er und fing am 01. Mai 1919, mitten in den politischen Wirren der in Gründung befindlichen Weimarer Republik in der Stadt an, die er nach eigenem Bekunden schon immer geliebt hatte: in Hamburg!

 

Nach einem Zwischenspiel bei Adolph Ettler Nachfolger wechselte er 1920 zu der großen Buchhandlung Blencke und Co und avancierte mit 21 Jahren auch dort bereits zum Geschäftsführer mit der Verantwortung für 25 Angestellte. In dieser Zeit mag sein langgehegter Wunsch, Herr im eigenen Hause zu werden, herangereift sein : Gemeinsam mit seiner Kollegin Erna Kracht und mit zusammengesparten 5.000,-- RM ließ sich Felix Jud auf das große Wagnis ein und eröffnete am 20. November 1923 im Souterrain der
Colonnaden 104 die "Hamburger Bücherstube- Felix
Jud & Co". Stresemann
demissionierte drei Tage später als Reichskanzler, der Notgeld-Umlauf hatte 500
Trillionen Papiermark erreicht.

 

Die Einladung zur Eröffnung hatte folgenden Text: "Allen Verhältnissen zum Trotz- im Glauben an eine bessere Zukunft Deutschlands und im Vertrauen auf das literarisch gebildete Hamburger Publikum haben wir uns entschlossen, eine neue Buchhandlung zu eröffnen. Die "HaBü" soll eine Pflegestätte sein für das gute und schöne Buch ...".

 

Solche "Pflegestätten" sollten es bald sehr schwer haben. Etwas mehr als zehn Jahre später brannten in Deutschland die gespenstischen Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen! Sie galten gerade all' jenen Schriftstellern, wie Annette Kolbe, Heinrich und Thomas Mann, Feuchtwanger, Werfel oder Tucholsky, die einen Schwerpunkt des literarischen Programms von Felix Jud bildeten. Dieser hatte sich den ungewissen Zeitläufen zum Trotz inzwischen verheiratet, und seine Frau Elisabeth sollte in all' den kommenden schweren Zeiten eine feste Stütze und engagierte Mitarbeiterin in der Buchhandlung sein.

 

Bereits zu "Führers Geburtstag", am 20.04.1935, sorgte Felix Jud mit seiner ihm eigenen ironischen Unerschrockenheit für Stadtgespräch, als er der Verpflichtung zur "festlichen
Dekoration" seines Schaufensters nachkam, indem er betont nachlässig ein
Hitlerfoto aus einer Illustrierten herausriß, es mit einem Reißnagel im Fenster befestigte und dazu ganze 18 Exemplare des Südsee-Reisebuches "Heitere Tage mit braunen Menschen" ins Fenster stellte!

 

Auch später entschuldigte er sich für das inquisitorisch bemerkte Fehlen eines "Führerbildes" in seinen Geschäftsräumen stets damit, es sei wohl schon wieder gestohlen worden(!) oder er zeigte über der Kasse ein allegorisches Hitlerbild in Ritterrüstung von der Deutschen Kunstausstellung in München, das er mit der Aufschrift versehen hatte:
"Adolf Hitler als Florian Geyer" (Bauernführer des Mittelalters).

 

Das ernsthafte und gefährliche Widerständige des Buchhändlers Felix Jud spielte sich dagegen unter der Ladentheke ab, wo er ganze Kisten verbotener Literatur, noch dazu zum Listenpreis, wie später in der Anklageschrift des Oberreichsanwalts als strafverschärfend hervorgehoben wurde, weiter an das -zuverlässige- "gebildete Hamburger Publikum" verkaufte. Jud hatte diese Bücher dem jüdischen Kollegen Alfred Heilbuth abgenommen und diesem dadurch zur Finanzierung seiner Ausreise in die USA
verholfen.

 

Dies und seine Kontakte zur "Hamburger Weißen Rose" um seinen Buchhändlerkollegen Reinhold Meyer und andere, hatte schon lange ausgereicht, um im Dritten Reich als "Verbrecherischer Verräter" zu gelten. So geriet der mutige Hamburger Buchhändler Felix Jud in das Visier der Gestapo, die ihn am 18. Dezember 1943 verhaftete.

 

Die folgenden eineinhalb Jahre bis zur Befreiung Hamburgs durch die Briten verbrachte Felix Jud zunächst im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel, dann im Konzentrationslager Neuengamme. Ohne Prozeß. Dieser fand erst wenige Tage vor Kriegsende, am 19. April 1945 vor dem "Volksgerichtshof" statt, der Felix Jud zu weiteren vier Jahren Zuchthaus verurteilte.

 

Felix Jud selbst überstand äußerlich unbeschädigt diese Leidenszeit, wenn auch durch den Verlust vieler Feunde getroffen. Später konnte er in seiner ihm eigenen lebensbejahenden und zugespitzten Art selbst über diese Erlebnisse anekdotisch berichten - dennoch blieb er gegenüber "Wendehälsen" energisch unnachsichtig- es sei
denn, es handelte sich um aufrichtige Freunde.

 

Über alle Schwierigkeiten des Wiederaufbaus hinweg machte Felix Jud die Hamburger Bücherstube zur überregional weithin bekannten unverwechselbaren Stätte der "Geistigen Nahrung", er machte aus ihr die erste Buchhandlung Hamburgs; Verleger wie Ernst Rowohlt und Fritz Ullstein waren seine persönlichen Freunde, er gründete den Norddeutschen Verleger- und Buchhändlerverband mit und engagierte sich jahrelang in der Jury zur Vergabe des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels und im Vorstand
des Börsenvereins.

 

Deutschland ehrte ihn mit dem Bundesverdienstkreuz, Hamburg mit der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes, die deutschen Buchhändler mit der Friedrich Perthes-Medaille.

 

Als Felix Jud am 27 . August 1985- an seinem Hochzeitstag- für immer die Augen schloß, hatte Deutschland den Doyen seines Buchhandels und Hamburg einen großen, mutigen Bürger verloren.